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Mittwoch, 10. August 2011

Vom frühen Vogelzwitschern

«Rheinische Post» sucht dringend Zeitungszusteller


Viersen (OPEN REPORT-kpl). Die «Rheinische Post» sucht
Zeitungszusteller. Und das offenbar dringend. Denn in der heutigen
Ausgabe befasst sie sich ausgiebig mit den schönen Seiten des Botenjobs.


Eine 46-jährige Zahnarzthelferin schwärmt in dem Beitrag vom
“Rauschen der Bäume” frühmorgens um fünf und davon, dass sie ihren
“Gedanken nachgehen kann” und ihr “… die Zeit ganz alleine gehört.” Ein
ehemaliger Polizist, der seit dem Tod seiner Frau die beiden Kinder
allein großziehen muss und deshalb seinen Beruf aufgab, trägt ebenfalls
die «Rheinische Post» aus. Er hat gleich zwei Bezirke übernommen und
arbeitet außerdem noch als Behindertenbusfahrer: “Da ich immer nur
zeitweise das Haus verlassen muss, kann ich meine Söhne sehen, sie
versorgen, mit ihnen essen.”, beschreibt er die Vorzüge seiner
Situation.


Beide sind, so ist zu lesen, “Zeitungsboten aus Leidenschaft” und
behaupten, dass “man den Job gut mit dem Familienleben vereinbaren”
könne. Sie genießen, schreibt die «Rheinische Post», “… das nächtliche
Arbeiten und das frühe Zwitschern der Vögel.”


Also, mal ganz im Ernst: Ich kenne keinen Zeitungsausträger, der Spaß
daran hat, nachts um viertel vor eins aufzustehen, weil er gleich zwei
Bezirke versorgen muss – Vogelzwitschern hin oder her. Und weil er nur
in Etappen schlafen kann, bevor er wegen Übermüdung den ganzen Sonntag
verpennt. Der zudem gleich mehrere Jobs annehmen muss, um irgendwie über
die Runden zu kommen. Da kann das Blatt vom Niederrhein das
Zeitungsboten-Dasein verklären, wie es will.


Die Zeitungsboten, denen ich bisher begegnet bin, brauchten einfach
das Geld. Bei einem mit Mitte dreißig aus dem Dienst geschiedenen
Ex-Polizisten und einer Zahnarzthelferin darf man, glaube ich, getrost
davon ausgehen, dass ihr reguläres Einkommen nicht gerade üppig ausfällt
und sie zu Frühaufstehern wurden, weil sie es vielleicht mussten. Dass
man als Zeitungszusteller auf die Schnelle besonders reich wird, ist
auch nicht überliefert. Viel eher darf man wohl vermuten, dass die
meisten Zeitungsboten aus finanziellen Gründen dafür sorgen, dass ich
morgens zum Kaffee die Tageszeitung lesen kann.


Dafür sei ihnen an dieser Stelle einmal herzlich gedankt. Und der
Hoffnung Ausdruck verliehen, dass sie nicht weiter von der «Rheinischen
Post» für solche Heile-Welt-Mätzchen benutzt werden.


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